
Bio-Hof mit Inklusionsgedanke
Bis 2021 arbeitete Andrea als stellvertretende Betriebsleiterin im betreuten Wohnen der Stiftung Terra Vecchia. Die Stiftung unterstützt Menschen in Bereichen der Arbeitsintegration, Sozialtherapie und Wohnförderung. Ihre berufliche Erfahrung als gelernte Pflegefachfrau und Sozialarbeiterin bewegte Andrea dazu, Landwirtschaft und betreutes Wohnen zu verbinden. Alma Verde ist nicht nur ein Hof, sondern eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die drei jungen Erwachsenen ein naturnahes und familiäres Umfeld bietet. Das Ziel ist es, die Selbstwirksamkeit und Selbstbefähigung der jungen Erwachsenen nachhaltig zu stärken.
Als Landwirtin (NEK) und Direktvermarkterin sucht Andrea proaktiv die Zusammenarbeit mit Gastronominnen und Gastronomen, die ihre Vision zur Inklusion teilen. Aktuell liefert der Bio-Hof Rindfleisch an Terra Vecchia, das Restaurant Olympia im Breitenrein und das Provisorium46 in der Länggasse. Im Restaurant Provisorium46 arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung Seite an Seite. «Unsere Produkte sollen einen sozialen Mehrwert haben», meint Andrea. Sie hat lange in Bern gearbeitet und gewohnt. Ihr urbanes Verständnis möchte sie brauchen, um die Zugewandtheit zwischen Land(-wirtschaft) und Stadt zu stärken, auch mit der Direktvermarktung von Natura Beef.
«Unsere Produkte sollen einen sozialen Mehrwert haben.»
Andrea Hodel, Landwirtin & Sozialarbeiterin, Hofgemeinschaft Alma Verde
Direktvermarktung – vom Hackfleisch bis zum Filet
Das Label «Natura Beef» steht für das Fleisch von rund zehn Monate alten Jungrindern aus Mutterkuhhaltung. Im Winter befindet sich die Herde im Freilaufstall und die Tiere erhalten hofeigenes Futter. Von Frühling bis Herbst sind die rund 20 Mutterkühe und deren Kälber des Bio-Hofs täglich auf der Weide.
Andrea schätzt den kurzen Transportweg der schlachtreifen Tiere zur Kleinmetzgerei Keller in Zäziwil, die nur zwei Dörfer weit entfernt liegt. «Mir ist es wichtig, beim Transport und Abschuss dabei zu sein», erzählt Andrea.
Nach dem Abhängen wird das Rindfleisch im Fleischverarbeitungsraum der Nachbarn abgepackt; meist in Mischpakete. Denn nicht nur das Filet, sondern alle Fleischstücke – vom Siedfleisch bis zum Edelstück – sollten geschätzt werden, findet Andrea. Genau diese Wertschätzung des ganzen Tiers ist die grosse Herausforderung der Direktvermarktung: Um nahezu alle Fleischstücke zu vermarkten, braucht es unternehmerische Kreativität. Im Vergleich zur Planungssicherheit der Fleischproduktion für den Grosshandel müssen Direktvermarktende beweglich sein, gerade in der Zusammenarbeit mit der Gastronomie. Manchmal sind beispielsweise das Brät oder die Edelstücke nicht erwünscht und es müssen andere Vermarkungsmöglichkeiten gefunden werden. Auf der anderen Seite ist die Offenheit und Flexibilität der Gastronominnen und Gastronomen gefordert: So verfolgt beispielsweise Küchenchef Jonathan König von Terra Vecchia vermehrt das Motto «Nose to Tail» bzw. die kulinarische Verwertung des ganzen Tiers.
«Durch die Direktvermarktung weiss ich genau, wie das Tier aufwächst und wo unser Geld hinfliesst. Zudem profitieren wir von der individuellen Beratung und Absprache von Lieferdaten und Verpackungsgrössen.»
Jonathan König, Küchenchef Terra Vecchia
Kürzere Transportwege der Tiere und Produkte
Bio-Fleisch direkt ab Hof bestellen
Die Natura Beef-Mischpakete können telefonisch oder ganz einfach bei Alma Verde bestellt werden: Mischpaket wählen, Verpackungsgrösse je nach Haushaltsgrösse aussuchen, nach Verfügbarkeit weitere Fleischstücke individuell hinzufügen, Kontaktdaten und Lieferart angeben und abschicken.
Blick über den Tellerrand: bald Bio-Poulet ab Hof?
Dank dem sicheren Einkommen durch die Betreuungsarbeit kann Alma Verde bei anderen Betriebszweigen innovativ und risikobereiter sein. Alma Verde bietet beispielsweise ein Bed&Breakfast im stilvoll umgebauten Bienenhaus mit «Burezmorge» an. So lernen die jungen Erwachsenen auch im Umgang mit Gästen auf dem Hof dazu. Eine mögliche weitere Innovation wäre die erneute Nutzung der im Moment leerstehenden Hühnerhalle. In Zusammenarbeit mit Studierenden der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (BFH-HAFL) beschäftigt sich der Betrieb gerade mit möglichen Zukunftsszenarien für die Nutzung der bestehenden Infrastruktur für Hühner. Ob die Klientel von Alma Verde bereit wäre, zum Beispiel den Preis eines nach Bio Suisse produzierten Poulets zu zahlen, ist noch offen.
Übrigens: «Bern ist Bio» bietet Gastronomiebetrieben und weiteren Betrieben kostenlos individuelle Beratungen zur Umstellung auf Bio-Produkte an.
In Umstellung auf Bio – Was bedeutet das?
Zwei Jahre dauert die Umstellung auf Bio. Sie beginnt jeweils am 1. Januar eines Jahres. Produzierende besuchen zwei Einführungskurstage und drei Weiterbildungskurstage nach Wahl. Grundsätze des Biolandbaus, Richtlinien, Markt sowie Organisation und Rolle von Bio Suisse, Bio-Kontrollstellen und -Beratung werden vermittelt. Nachdem die Bio-Suisse Richtlinien fünf Monate eingehalten wurden, können die Produkte als Umstellungsprodukte (Umstellungsknospe) vermarktet werden.