
Die Hofgemeinschaft Flue ist seit 2021 ein anerkannter Zivildiensteinsatzbetrieb. Der Bio-Hof hat im Sommer oft 1-2 Zivildienstleistende, die 3-8 Wochen einen Teil ihrer Dienststage im Tätigkeitsbereich Landwirtschaft absolvieren. Die Zivildienstleistenden arbeiten Hand in Hand mit den Lernenden der Bereiche Landwirtschaft, Hauswirtschaft und Küche. Denn der Hof Flue ist in erster Linie eine Ausbildungsinstitution für 6 junge Erwachsene, die sich nach der obligatorischen Schulzeit in einem geschützten und familienähnlichen Rahmen weiterentwickeln können.
Die Zivis werden in den natürlichen Tagesablauf eingebunden und begleiten zum Teil schwächere Lernende. Das gemeinsame Frühstücken, nachdem die Tiere versorgt sind und das gemeinsame Mittagessen strukturieren den Tag. Die Zivis helfen mit, sei es bei der Tier-, Garten- und Umgebungspflege und natürlich beim Heuen.
Die Zivildienstleistenden kommen oft aus städtischen Gebieten und empfinden den Bio-Hof Flue trotz körperlich anstrengender Arbeit als eine Ruheoase oder als eine willkommene Abwechslung, erzählt Simone Schweizer. Die Ausbildnerin im Bereich Hauswirtschaft sieht die Zivildienstleistenden als Entlastung und Bereicherung für den Betrieb. Sie betont, dass die Zivis mehr als bloss eine Arbeitskraft seien und die Mitarbeitenden, Lernenden wie auch die Zivis den Austausch schätzen. Als Einsatzbetrieb ist es ihr wichtig, sich wirklich Zeit für die jungen Menschen zu nehmen.
«Ich habe viel über die Konflikte zwischen Landwirtschaft und Natur gelernt. Zum Beispiel: Welche Flächen überlassen wir der Natur, welche nutzen wir für die Landwirtschaft?»
Emil Javor, ehemaliger Zivi des Hofs Flue
Zivildienst in der Landwirtschaft – das sind die Fakten
Insgesamt gibt es in der Schweiz 927 anerkannte private Einsatzbetriebe – die meisten davon sind Talbetriebe (Stand März 2024). Verglichen mit der gesamten Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz, sind nur etwa 2% Zivildienst-Einsatzbetriebe.
Eines der Ziele von Zivildiensteinsätzen lautet gemäss dem Zivildienstgesetz (ZDG), die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu erhalten sowie die nachhaltige Entwicklung zu fördern. Konkret kommen Zivildienstleistende in der Landwirtschaft in 4 Tätigkeitsbereichen zum Einsatz: Kulturlandschafspflege im Sommer, Kulturlandschaftspflege im Winter, Waldpflege oder Alp-Pflege. Die Landwirtschaft macht nur einen kleinen Teil des Zivildienstes aus.
Emils Zivildiensteinsatz – Ein Realitätscheck
«Selten habe ich eine so sinnstiftende Aufgabe erlebt», erzählt Emil, der einen viermonatigen Zivildiensteinsatz bei der Hofgemeinschaft Flue geleistet hat. Nach einem ersten Einsatz in einem Heim für Menschen mit Beeinträchtigung wollte der angehende Sekundarlehrer etwas Neues ausprobieren und entschied sich für einen Zivildiensteinsatz in der Landwirtschaft.
Obwohl seine Grossmutter auf einem Bauernhof gross geworden ist, hatte er selbst nur wenig Bezug zur Landwirtschaft. Diesen Bezug wollte Emil, aufgewachsen in Wabern nahe der Stadt Bern, wieder etwas aufbauen. «Ausserdem, wollte ich meine Vorstellung von landwirtschaftlicher Arbeit, mit der Realität abgleichen», so Emil. Er habe viel über den täglichen Ablauf auf einem Bauernbetrieb gelernt. Emil versorgte zusammen mit den Lernenden die Kühe, Schafe, Hühner, Schweine und Ziegen, errichtete neue Zäune, trug Heu zusammen und bewirtschaftete den Nutzgarten.
Am liebsten habe er bei der Ernte des Nutzgartens mitgeholfen und das Gemüse zum Konservieren vorbereitet, erzählt Emil. Als Vegetarier setzte er sich bei der Arbeit mit Tieren mit Fragen rund um Fleischkonsum und Tierhaltung auseinander. Er hatte die Möglichkeit, beim Schlachten eines Rindes dabei zu sein, was ihn anregte, intensiver über den Konsum von Fleisch und allgemein Tierprodukte nachzudenken.
Ein respektvoller Umgang mit Tieren und Tierprodukten ist ihm seither noch wichtiger geworden. Auch in sozialer Hinsicht durfte Emil dazulernen, beispielsweise im Umgang mit Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten. Sein Zivildiensteinsatz machte ihn zudem sensibler für Themen wie das Verschwinden von Kleinbauernbetriebe, nachhaltige Flächennutzung und die Vereinbarkeit von Landwirtschaft und Naturschutz.
Klimawandel, Mechanisierung und Fachkräftemangel – Bedarf an Zivis steigt
Die Landwirtschaft ist nur ein kleiner, aber wichtiger Tätigkeitsbereich des Zivildienstes. Besonders hoch geschätzt wird der Beitrag von Zivildienstleistenden dort, wo viel Handarbeit notwendig ist, z.B. in Steillagen. Laut dem Bundesamt für Zivildienst (ZIVI) steigt gemäss den Einsatzbetrieben der Bedarf an Zivildienstleistenden an – besonders im Bereich Kulturlandschaftspflege im Sommer.
Gründe sehen Einsatzbetriebe in der Zunahme von Problempflanzen und Unkraut, sowie weiteren Herausforderungen verursacht durch den Klimawandel. Zudem führe die Überalterung von Betriebsleitenden oder die mangelnde Verfügbarkeit von alternativen Arbeitskräften zu einem höheren Bedarf an Zivildienstleistenden.
Die zunehmende Mechanisierung bewirkt laut Fachpersonen, dass häufig weniger Personal auf den Betrieben arbeitet, wodurch zeitintensive Handarbeit auf wenige Leute verteilt wird. Jedoch ist ein Zivildiensteinsatz nicht die einzige Möglichkeit Land- oder sogar Bergluft zu schnuppern. Bei einem Freiwilligeneinsatz auf einem Biohof können interessierte Personen genauso wie Zivis einen Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und Lebensräume leisten..
Freiwilligeneinsätze –Von der Bibliothekarin zur Betriebshelferin
Eine erfahrene freiwillige Helferin ist beispielsweise Christa aus dem Kanton St. Gallen. Die gelernte Bibliothekarin war schon auf verschiedensten Bergheimathöfen engagiert – für einzelne Tage, Wochen oder über mehrere Jahre hinweg. Mit etwa 40 Jahren begann sie, nebenberuflich auf Landwirtschaftsbetrieben mitzuhelfen. In diesem Sommer unterstützt die inzwischen Pensionierte ein weiteres Bergheimat-Mitglied, die Toggenburger Kräuterfrauen, die auf Bio-Höfen mit viel Sorgfalt Gewürz- und Teekräuter anbauen.
Die Arbeit im Freien und in der Natur bereitet ihr grosse Freude. Während Freiwilligeneinsätzen hilft sie dort mit, wo gerade Unterstützung gebraucht wird. Oft sind es Tätigkeiten, die viel Handarbeit erfordern: jäten, setzen, ernten, Gras rechen, Obstbäume und Beerensträucher schneiden. Besonders schätzt die St. Gallerin den Austausch mit anderen Helferinnen und Helfern und den Gastfamilien. Sie habe nicht nur neue Gegenden und ein neues Tätigkeitsfeld kennen gelernt, sondern auch Freundschaften geschlossen, die bis heute andauern, erzählt sie. Aus ihrer Sicht ist es wichtig, dass an einem Freiwilligeneinsatz Interessierte Freude an landwirtschaftlichen Tätigkeiten und am einfachen Leben mitbringen. Ebenso zentral seien Teamgeist und die Bereitschaft, sich an neue Situationen anzupassen.
Interesse an einem Freiwilligensatz? – Bergheimat verbindet Menschen und Höfe
Die Schweizer Bergheimat fördert kleinere und mittlere Bio-Bergbauernhöfe. Das Ziel des gemeinnützigen Vereins ist, abgelegene Gebiete weiterhin bewohnbar und landwirtschaftlich nutzbar zu halten, und zwar in einer biologischen, tiergerechten und energieschonenden Weise. Neben Beratung, finanzieller Unterstützung und der Organisation regelmässiger Hoftreffen bringt die Bergheimat freiwillige Helfenden in Kontakt mit Höfen und versteht sich als Bindeglied zwischen ihren bäuerlichen und nicht-bäuerlichen Mitgliedern. Gerade in Berggebieten sind freiwillige Helfende, Zivildienstleistende wertvoll, um alpine Lebensräume zu pflegen und zu erhalten. Nicht nur die Schweizer Bergheimat verbindet Freiwilligeneinsätze mit Bergheimat-Höfen, sondern auch Organisationen wie Bergversetzer, Agriviva und Wwoof vermitteln Einsätze auf freiwilliger Basis.
«Ein gemeinsamer Tag beim Heuen kann zuletzt auch aus sozialer Hinsicht ein Gewinn für alle Beteiligten sein, wenn am Abend die Arbeit gemacht ist und alle sehen, was gemeinsam geleistet wurde.»
Pia Ramseier Soulémane, Geschäftsführerin Schweizer Bergheimat


