Während die Bernerinnen und Berner an diesem regnerischen Pfingstsonntag noch zmörgelen, stehen Meret und Samuel wenige Kilometer nordwestlich der Stadt bereits auf dem Feld. Der feuchte Boden klebt an den Schuhen. Verantwortlich dafür sind die blaugrauen Wolken, die hier vor kurzem ihr Wasser liessen. Immer noch schwer, hängen sie über der Landschaft aus Äckern, Hecken und Wäldern. Ein Arbeitsplatz mit Ausblick – und Ruhe. Hauptakteure in dieser Kulisse sind nicht die grasenden Kühe, (mit Hörnern), sondern Meret Schädeli und Samuel Scheidegger. Mit einem Werkzeug namens «Sauzahn» zieht er entlang der gespannten Schnur Furchen, während sie den Mais Korn um Korn hineinlegt.

Alte Symbiose, neu interpretiert

Der Landstreifen gehört Merets Vater und ist Teil des Bio-Hofs Schädeli in Uettligen, der seit rund 25 Jahren bio-dynamisch nach Demeter-Richtlinien Milch, Fleisch, Eier, Kartoffeln und andere Produkte verkauft. Mit einer Länge von 80 Metern ist das Feld mehr als ein Gemüsebeet, jedoch manuell zu bearbeiten und bietet Platz für hundert kleine Knirpse. Die Kombination aus Mais, Bohnen und Kürbis, auch die «drei Schwestern» genannt, ist ein Landwirtschaftssystem, das die indigenen Bauern in Mittelamerika seit vielen Jahrhunderten betrieben und sie bis heute mit Nahrung versorgt. Obwohl diese Mischkultur eine lange Tradition hat, ist sie keineswegs altmodisch. Sie nutzen den Boden unterschiedlich, helfen sich gegenseitig und bieten damit gleich mehrere Vorteile: Mais dient den Bohnen als Kletterhilfe, diese liefern mit ihren Knöllchenbakterien Stickstoff, während die Blätter des Kürbisses den Boden bedecken und so Erosion durch Regen und Austrocknung verhindern, die Bodenfruchtbarkeit und den Humusaufbau fördern. Zudem hat Unkraut weniger Chancen, auf einen grünen Zweig zu kommen. Um die Mulchschicht (mittelhochdeutsch mul für «zerfallende Erde») aus Stroh zu verteilen, sind helfende Hände willkommen und Merets Bruder Jonathan packt mit an. Dann setzen wir die kleinen Kürbissetzlinge von Hand zwischen die Zeilen aus Mais. Die Bohnen, als drittes Geschwister, sollen später dazukommen, damit der Mais Vorsprung hat.

Planen und pflanzen

Vier Stunden später, früher Nachmittag, die Sonne scheint, Kürbisse und Mais sind im Boden. Feierabend für heute, aber bis Halloween vor der Tür steht, kann noch viel passieren. Schädlinge, Krankheiten und Wettereinflüsse (Hagel!) können alles zerstören, weiss Meret Schädeli, die Erfahrung von verschiedenen Lehrbetrieben mitbringt und demnächst ihre Lehre zur Landwirtin EFZ mit Schwerpunkt biologischer Landbau abschliesst.

Jäten bringt Entspannung und Muskelkater

Ein paar Wochen später im Juli stehen wir frühmorgens auf dem Feld. Die Sonne steht noch tief, aber in diesem Rekordsommer würde sie auch heute wieder wolkenlos auf das Feld brennen und die «grüne Decke» weiterwachsen lassen. Von Hand und in der Hocke packen wir Hirse und andere Beikräuter und haben im Nu das Gröbste erledigt. Es ist zwar schweisstreibend (und verursachte mächtig Muskelkater am nächsten Tag), aber trotzdem entspannend, mit dem Gefühl, draussen an der frischen Luft Sinnvolles gemacht zu haben.

Direkt ins Quartier

Bei der Vermarktung wollen sie ein Experiment wagen – und wirklich direkt verkaufen. Samuel, der auf dem Biohof Zaugg in Iffwil arbeitet, kommt von der Engehalbinsel. Warum nicht dieses überschaubare Quartier der Stadt Bern – wo man sich kennt und grüsst – beleifern? «Es wäre schön, wenn es am Schluss nicht nur ums Geld ginge, sondern eine Gemeinschaft entstehen würde, die sich kennt und vertraut und hilft». Jeder könnte einen Beitrag leisten, ist Samuel überzeugt.

Wie finden die Kürbisse zu den Gesichtern oder umgekehrt? Mit dieser Frage startete das Experiment anfangs September im selbstorganisierten Quartierchat, wo gratis Allerlei abgegeben wird und auch mal etwas zur Ausleihe gesucht wird. Wir setzten eine erste Mitteilung ab. Die Kürbisse lagern vor unserm Hauseingang, im temporären und wahrscheinlich kleinsten Hofladen der Stadt Bern. Man kann twinten oder das Geld in das Sparschwein legen. Innerhalb der ersten paar Tage wurden so knapp zwanzig Kürbisse direkt an die Quartier-Bevölkerung verkauft. Zusätzlich wurde über den Quartierchat weiteres Gemüse und Früchte an den Mann und die Frau gebracht.

Familienevent auf dem Feld

Ende Oktober, kurz vor Halloween, sind wir erneut auf dem Feld. Sonntagsausflug. Die ganze Familie sammelt die Maiskolben ein. Blauer Popcorn-Mais. Bohnen finden wir nur vereinzelt. Sie blieben eher Schattenkinder. Zu spät losgeschickt in einen heissen Sommer. Trotzdem bezeichnen die beiden das Projekt als Erfolg, weil sie lernen konnten und einzelne Menschen von der Stadt zum Arbeiten auf dem Feld motiviert haben. Alles hat noch Luft nach oben, kann noch wachsen, wie die Kürbisse, die als gelbe Blumen starten und als grosse Früchte enden.

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