Die vielen Sterne am Himmel und der weissleuchtende Mond begleiten mich auf der kurvenreichen Strasse nach Trimstein zum Biohof von Katrin und Hannes. Obwohl es erst morgens um sechs Uhr ist, köcheln im grossen Topf bereits die ersten 100 Liter Bio-Sojamilch. Für die nächste Ladung rattern nebenan Bio-Sojabohnen durch die Nassmühle. Ich befinde mich in einem ehemaligen Kuhstall, welcher von Katrin und Hannes zu einem Tofu-Produktionsraum umgebaut wurde. Bis vor kurzem hat Katrin im ehemaligen und nun zu klein gewordenen «Milchrümli» produziert. Nach langer und intensiver Recherche hat Katrin die passenden Gerätschaften zusammen – so hat gar eine taiwanische Sojamühle ihren Weg in den ehemaligen Kuhstall gefunden!

Aus Bohnen wird Milch und Okara

Diese Mühle vermahlt die Bio-Sojabohnen zu Bio-Sojamilch und Bio-Okara. Okara ist der sehr eiweiss- und ballaststoffreiche Trester, also das «Übriggebliebene» der Sojabohnen. «Ich mache zum Beispiel Burger daraus», erzählt Katrin, und bedauert: «Die Leute kennen es nicht.» Auch ich gehöre dazu und lasse mir gespannt ihr Burgerrezept verraten. Einen kleinen Teil wird über den Online-Shop und Hofladen verkauft, den Rest geniessen die Hof-Schweine und Rinder. «Aktuell erhalten wir die Bio-Sojabohnen noch von benachbarten Höfen. Aber dieses Jahr bauen wir unsere eigenen an», berichtet Katrin stolz. Durch und durch Wertschöpfung auf dem Hof!

Wieso gerade Tofu?

«Ich wollte etwas machen, was die anderen nicht machen», erklärt Katrin. «Wenn man als eine der Ersten mit etwas beginnt, bringt das viele Vorteile.» Bei einem Hof von 14 Hektaren brauche es eine Nischenstrategie. Zudem wolle sie möglichst viel Wertschöpfung auf dem Hof generieren. Und auch das Schlachten von Tieren gehe nicht spurlos an ihr vorbei, obwohl sie keine Vegetarierin sei.

Die Nase verrät’s

Während der langsamen, schonenden Erwärmung der Milch wird Nigari angerührt – das Gerinnungsmittel für die Tofuherstellung. Obwohl sich Katrin mit einem Thermometer vergewissert, ob die Zieltemperatur erreicht ist, verrät ihr die Nase bereits, dass die Milch «soweit» ist: Ein leicht nussiger, erdiger Geruch liegt in der Luft. Hingebungsvoll wird nun das Nigari in die Sojamilch eingerührt; der Gerinnungsprozess startet. Katrin erklärt: «Dieser Vorgang muss zu zweit durchgeführt werden, denn die Zugabe von Nigari soll langsam und kontinuierlich erfolgen. Gleichzeitig muss die Sojamilch stets gerührt werden, so dass sich das Nigari gleichmässig verteilen kann». Trotz des Ratterns der Sojamühle kommt bei diesem Vorgang eine leicht meditative Stimmung auf. Es entstehen helle Tofu-Flöckchen und ein gelbliches Wasser mit leicht grünem Stich bleibt zurück. Katrin meint zufrieden: «So soll’s sein! Jetzt haben sich die Proteine vollständig gelöst.»

Nun geht’s ans Schöpfen. Mit einem gewöhnlichen Küchensieb werden die Tofu-Flöckchen dem Topf entnommen; ein Teil wird mit einer eigens kreierten Gewürzmischung verfeinert. Und neben Natur werden heute vier weitere Sorten kreiert: Pfeffer, Kräuter, Chili und Räuchertofu – ausser dem indischen Pfeffer alles Schweizer Kräuter von Hasensprung und Swiss Alpine Herbs.

Im nächsten Schritt werden die Tofu-Flöckchen in massangefertigte Formen zu Blöcken gepresst und mit einem Messer in handelsübliche Rechtecke geschnitten und dann verpackt. Wenn es hier einen Abschnitt gibt, bin ich eine sehr dankbare Abnehmerin. Der luftig weiche und noch leicht warme Tofu zergeht auf der Zunge und ein wohlig nussiges Aroma bleibt zurück. Kein Tofublock ist identisch mit dem anderen: «Blöcke für verschiedengrosse Haushalte: von einer bis zu vier Personen», meint Nicole, die helfende Hand von Katrin, lachend.

Auf zur letzten Reise!

Auch bei den letzten Schritten erfolgt alles in Handarbeit und mit grosser Sorgfalt. In einem heissen Wasserbad werden die abgepackten Tofu’s pasteurisiert, bevor sie etikettiert und schlussendlich gekühlt werden. Ihre erste und hoffentlich letzte Reise treten sie schon bald an: Am Samstag auf den Märit in Münsingen, in den regionalen Biofachhandel, in die Gastronomie oder in den eigenen Hofladen und in den Onlineshop.

Katrin weiss schon lange, was Spezialisierung bedeutet: Ihre Eltern betrieben ein Käse-Spezialitätengeschäft. Sie hat schon als Kind gelernt, wie man sich von Grossverteilern differenziert, was Qualität bedeutet und wie man hochwertige Produkte erfolgreich vermarktet. Ihr Agronomie-Studium mit der Vertiefung internationale Landwirtschaft an der Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) und ihre Russischkenntnisse haben ihr geholfen, zusammen mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL ein Marktentwicklungsprojekt in der Ukraine zu betreuen. Zurück in der Schweiz war sie als Produktmanagerin bei Biofarm und Co-Geschäftsführerin bei Bio Test Agro AG tätig. Dieser Rucksack hilft ihr immens für alles, was Katrin heute auf dem Hof benötigt und leistet.

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