Seit 2017 lebt die fünfköpfige Familie Klaus mit Hühnern und Rindvieh auf dem Hof Grossegg im Emmental, der für sie Heim und Arbeitsplatz vereint. Obwohl sich die Familie Klaus mit der Mutterkuhhaltung und den Legehennen nicht der Milch-, sondern der Fleisch- und Eierproduktion widmet, vertreibt der Hof auch Bio-Milchprodukte – und zwar aus Mutter-Kalb-Haltung «MuKa».

«Die meisten MuKa-Höfe produzieren ihre Produkte von A bis Z selbst», erklärt mir Martin Klaus beim Kaffee nach dem Stallbesuch am Küchentisch. Aber eben nicht alle. Und deshalb kauft Klaus die Milch für die hofeigenen Grossegg-Käsesorten von Muka-Höfen in der Region zu und lässt diese in einer traditionellen Dorfkäserei zu verschiedenen feinen Käsesorten verarbeiten. Sein Sortiment wird durch weitere Muka-Käsesorten von kleinen Bio-Hofkäsereien ergänzt. So bietet Klaus MuKa-Betrieben einen Absatzkanal für ihre hochwertigen Produkte.

Wo lieget der Unterschied zwischen MUTTERkuhhaltung und MILCHkuhhaltung?
Bei Mutter- und Milchkühen unterscheiden sich Endprodukt, Rasse und Fütterung. Die Mutterkuhhaltung ist eine verbreitete Art der Fleischproduktion. Die Kühe werden nicht gemolken, ihre Milch dient einzig der Ernährung der Kälber. Diese leben bei der Mutterkuh und dürfen von ihrem Euter trinken. Somit ist die Milchmenge bei einer Mutterkuh geringer als bei einer Milchkuh. Bei der herkömmlichen Milchproduktion, der Milchkuhhaltung, wird eine Kuh zur Produktion von Milch gehalten und gezüchtet. Somit wird das Kalb bei der praxisüblichen Kälberaufzucht nach der Geburt von seiner Mutter getrennt, kann nicht mehr bei ihr trinken und wird stattdessen z.B. mit der Flasche gesäugt.

Und was ist «MuKa»?
Die Mutter-Kalb-Haltung bzw. das muttergebundene Kälberaufzuchtsystem «MuKa» ist eine tierfreundliche Haltungsform von Milchkühen und somit eine Alternative zur herkömmlichen Milchproduktion. Naturmilch aus MuKa-Haltung bietet Bio-Milch von Kühen, deren Kälber nach der Geburt bei ihren Müttern bleiben und dort die Milch direkt vom Euter ihrer Mütter trinken. Dadurch bleiben die Kälber meist auch länger auf dem Geburtsbetrieb, was sich wiederum positiv auf das Immunsystem und damit auf eine robuste Gesundheit der Kälber auswirkt. Auch bei der MuKa-Haltung werden die Kühe gemolken, jedoch nur so, dass für das Kalb noch genügend Milch bleibt. Daraus entstehen die MuKa-Produkte.

Die noch junge Idee von MuKa

Martin Klaus vertreibt seine Bio-Produkte unter der eigenen Marke «Naturmilch». Das Engagement soll auf die Gesundheit der Kälber, fairen und regionalen Handel und die Vorteile von MuKa aufmerksam machen. Klaus erkannte den Mehrwert der muttergebundenen Kälberaufzucht für Tier und Hof und begann MuKa-Produkte herzustellen und zu vertreiben. Die Fachstelle MuKa unterstützt heute Landwirtschaftsbetriebe bei der Umstellung auf die MuKa-Haltungsform. Martin Klaus betont die Bedeutung der Einhaltung hoher Standards in der MuKa-Initiative: «Die Kälber bleiben mindestens drei, auf unserem Partnerbetrieb in der Regel sogar fünf Monate bei ihrer Mutter auf dem Geburtsbetrieb. Da ist man sich unter den MuKa-Betrieben einig.» Vorteil sei, dass der Tierarzt weniger kommen müsse, da die Kälber ein stabileres Immunsystem aufbauen.

Viele gute Gründe sprechen für MuKa

Mit dem Kauf von MuKa-Produkten wird also die Gesundheit der Tiere wie auch der Betrieb unterstützt. Und es wird zur artgerechten Nutztierhaltung beigetragen, so Klaus: «Milchkühe in Muka-Haltung werden zwar gemolken, man lässt aber genügend Milch übrig, die das Kalb dann am Euter der Mutter trinken kann. Für Muka-Landwirtinnen und -Landwirte kommt auch die sogenannte Ammenkuhhaltung nicht in Frage, denn Ammenkühe sind Ersatzmütter: die Trennung von Mutter und ihrem Kalb findet dabei trotzdem statt.»

Martin Klaus bindet nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit, sondern explizit auch soziale und wirtschaftliche Aspekte in seine Nachhaltigkeitsbetrachtung ein. Aus diesem Grund gestaltete er auch ein Signet für sich und seine Partner, das MuKa-Produkte im Regal für Konsumentinnen und Konsumenten klar erkennbar macht. Der Muka-Button in pink repräsentiert neben der Besonderheit der MuKa-Produkte auch das Engagement für eine tierfreundliche Landwirtschaft.

MuKa Button

Ausbau des MuKa-Geschäfts und Herausforderungen

Martin Klaus will den pinken MuKa-Button und das MuKa-Geschäft weiter ausbauen, wobei jeder interessierte MuKa-Hof das geschützte Siegel nutzen darf. So erfreulich für Klaus der erste Märitgang nach Bern war, weil einige MuKa-Begeisterte extra mit dem Velo den Weg aus der Ferne in die Bundesstadt auf sich nahmen: Der Eintritt in den Bio-Einzelhandel gestaltete sich schwierig. «Konsumentinnen und Konsumenten wünschen eine gewisse Produktepalette, egal ob im Laden oder auf dem Märit», so Klaus. Er kommt auf die herausfordernde Vermarktung von MuKa-Produkten zu sprechen und auf die Schwierigkeiten der kleinen Betriebe, Bioläden effizient mit einem genügend breiten Sortiment zu beliefern. Trotzdem: Immerhin können die Produkte vom Hof Grossegg mittlerweile nicht nur ab Hof, sondern auch in einigen Läden in und rund um Bern gekauft werden.

Lieber Käse statt Rechnungen im Briefkasten

Um sowohl die Logistikfrage zu lösen als auch vernünftige Preise bieten zu können, schuf Klaus eine neue Möglichkeit für den Käsegenuss aus MuKa-Milch: ein «Käse-Genusspaket» aus dem Emmental. Das Käse-Abo des Biohofs Grossegg bietet alle zwei Wochen eine Auswahl an handverlesenen Käsespezialitäten von verschiedenen Höfen im Emmental und darüber hinaus. Das sorgt für eine direkte Verbindung zwischen Produzierenden, Kundinnen und Kunden, und unterstützt so die Bio-Kleinbetriebe. Der Genuss von feinem Käse gestaltet sich so ganz einfach. «Die meisten starten mit dem Probierpaket», sagt Klaus und bietet mir ein Stück des hervorragenden Schwarzbach Bio-MuKa an. Und tatsächlich: Ich schmecke regelrecht die Liebe zur Natur.

«Milchkühe in Muka-Haltung werden zwar gemolken, man lässt aber genügend Milch übrig, die das Kalb dann am Euter der Mutter trinken kann. Für Muka-Landwirtinnen und -Landwirte kommt auch die sogenannte Ammenkuhhaltung nicht in Frage, denn Ammenkühe sind Ersatzmütter: die Trennung von Mutter und Kalb findet dabei trotzdem statt.»

Martin Klaus, Bio-Hof Grossegg

Schmeckt MuKa Milch anders?

Die Besonderheit der MuKa-Milch liegt nicht nur in der Haltungsform der Tiere, sondern auch in der Art der Milchverarbeitung: «Die Milch ist nicht wegen der MuKa-Haltung anders, sondern wegen der schonenden Verarbeitung», so Klaus. Denn: «Käse und Joghurt werden grösstenteils auf dem jeweiligen Hof verarbeitet. Die Milch wird nicht standardisiert, nicht mikrofiltriert und nicht homogenisiert.» Diese handwerkliche und schonende Verarbeitung verleiht den Produkten ihre Einzigartigkeit und Qualität. Zudem sind MuKa-Produkte vom Hof Grossegg auch immer Bio-Produkte. Dies bedeutet, dass in der Regel keine Hochleistungskühe verwendet werden, sondern eher extensiv gehaltene Zweinutzungstiere. Man kann sich also beim Einkauf darauf verlassen, ein tierfreundliches Produkt zu kaufen, wobei auch die Biohöfe von geringerem Krankheitsdruck profitieren. Zweinutzungsrassen sind nämlich robuster und benötigen in der Regel weniger Tierarztbesuche.

Die Unterschiede zwischen intensiver und extensiver Tierhaltung
Im Gegensatz zur intensiven Tierhaltung, die auf hohe Besatzdichten (Anzahl Tiere pro Quadratmeter) und oft auch auf technologische Unterstützung setzt, legt die extensive Tierhaltung Wert auf naturnahe Bedingungen, artgerechte Aufzucht und Zweinutzungsrassen (Rassen, die gleichermassen zur Fleischerzeugung wie zur Milchproduktion genutzt werden). Sie zielt darauf ab, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zu fördern und Umweltaspekte zu berücksichtigen. Die naturnahen Bedingungen widerspiegeln sich in einer graslandbasierten Fütterung mit wenig bis kein Kraftfutter und im Auslauf bzw. der Beweidung. Da die Tiere nicht auf Spitzenleitung gezüchtet sind, ist die gesundheitliche Gefahr geringer als bei intensiver Bewirtschaftung.

Auch die Vermarktung der Kälber stellt für die MuKa-Haltung eine Herausforderung dar. Händler wollen nämlich die Mastkälber bei einem Gewicht von 80 kg kaufen. Die Kälber aus MuKa-Haltung sind aber nach drei bis fünf Monaten zu gross und zu schwer. «Sie haben im heutigen System schlicht keinen Platz» gibt Naemi Klaus, Martin Klaus Frau, zu bedenken. MuKa-Betriebe müssen daher die Kälber selber aufziehen oder sich um einen Abnehmer für die Tiere bemühen. Denn in der MuKa-Haltung sollen auch die männlichen Kälber an der Mutter aufgezogen werden.

Vision einer nachhaltigen Zukunft

Auf dem Biohof Grossegg geht Tierwohl und nachhaltige Landwirtschaft Hand in Hand. Die MuKa-Produkte sind Symbol für Qualität. Wird Käse ab Hof gekauft, kann die Wertschöpfungskette kurzgehalten werden und der Produktpreis und ökologische Fussabdruck fallen tiefer aus. Martin Klaus erklärt zu Recht: «ohne wirtschaftliche Nachhaltigkeit kann auch ökologische und soziale Nachhaltigkeit schlecht gelebt werden.»

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