Planung ist das A und O: Die Lebensgrundlage «Marktgarten» im Aufbau

Claude und Ronja sprühen vor Motivation und Tatendrang für ihre Sache: Ihren Marktgarten auf dem Homberg nähe Thun. Ihre Lebensgrundlage. Ihr: «wir möchten nichts anderes tun.»

Die beiden ins Marktgartengeschäft «Quereingestiegenen» gründeten die Tomaterei 2022 und befinden sich nun mitten im zweiten Gartenjahr. Die Aufbauphase ihrer Marktgärtnerei ist noch nicht ganz abgeschlossen. Hie und da fehlt noch das eine oder andere. Will heissen: Die Infrastruktur muss ausgebaut werden. «Die Bewässerung macht uns noch etwas Bauchweh», erklärt Ronja: «In längeren Trockenperioden ist der Wasserverbrauch noch zu hoch.» So ist denn auch aktuelles Projekt die Planung einer wassersparenden Tropfbewässerung für die Beete. Und im ehemaligen Geräteraum des von Claude und Ronja gleich neben dem Marktgarten bewohnten Bauernhauses entsteht ein Verarbeitungsraum. Dort soll das geerntete Gemüse zukünftig gewaschen, gerüstet und für den Kauf vorbereitet werden.

Aber alles der Reihe nach. Vor der Ernte gibt’s erst mal viel Arbeit: Das A und O einer gut funktionierenden Marktgärtnerei? Eine frühzeitige Planung! Dabei sind Themen wie Anbau, Pflege, Fruchtfolge und Gründüngung ein Thema. Wo braucht es wann eine Gründüngung zur Bodenvorbereitung? Welches Gemüse möchten wir wann in welchen Mengen ernten können? Wann müssen wir demnach welche Setzlinge vorziehen und wann pflanzen wir die Jünglinge wo in die Beete aus, damit kaum eines brach liegt? Nicht zuletzt gilt es in Bezug auf die Fruchtfolge auch zu bedenken, was zuvor auf besagtem Beet angepflanzt wurde, und was jetzt gut passt.

«Wir möchten nichts anderes tun.»

Ronja Schlotterbeck, Gründerin Tomaterei

Das Prinzip Markgarten

In einem Marktgarten sollen natürliche Ressourcen langfristig so effizient wie möglich und selbstverständlich ohne Einsatz von Pestiziden und chemischen Düngemitteln genutzt werden. Produziert wird für den eigenen «Markt», das Gemüse direkt und ohne Zwischenhandel an die Käuferin oder den Käufer gebracht. Die Leckerei der Tomaterei gibt’s von Mai bis Oktober jeweils am Donnerstag am Abendmarkt in Thun oder via Gemüse-Abos von Ronja und Claude in der Region per Velo verteilt. Fahren die beiden mit ihrem grossen Anhänger vor, kann das schon mal zum einen oder anderen «Kopfumdrehen» führen: So ein Gefährt sieht man nicht alle Tage!

Für eine sorgfältige Bodenpflege, die nachhaltige Erträge sichert, setzen Ronja und Claude spezielle und nur von Hand betriebene Gartenwerkzeuge ein. Das schont den Boden und lässt eine engere Bepflanzung zu, denn diese bietet gleich mehrere Vorteile: mehr Ertrag auf weniger Fläche, Schutz für den Boden vor dem Austrocknen, weniger Platz für Unkraut sowie kürzere Wege und somit auch eine effizientere Arbeitsweise. So kommen also die Doppelgrabegabel – eine Grabegabel so breit wie die Beete – wie auch das Handsägerät zum Aussäen des Saatguts regelmässig zum Einsatz. In der Tomaterei sucht man vergeblich nach einer Maschine. Die einzige maschinelle Bedienung bietet der Akkuschrauber, der dem Tilther als Motor dient. Tilther? Ein Gerät, das den Kompost – wohlbemerkt «nur» – oberflächlich einarbeitet, so dass die Bodenstruktur erhalten bleibt.

Der Boden ist ohnehin ein wichtiges Gut. Die Einarbeitung von Kompost in die Beete und der mit Gründüngung präparierte Boden bieten den zahlreichen Bodenlebewesen optimale Bedingungen zur Verrichtung ihrer Arbeit: Sie zersetzen abgestorbenes organisches Material und sorgen damit für einen nährstoffreichen Boden. Ohne die kleinen Helferchen wäre ein Garten kein Garten! Bei den Tomaten läuft gerade ein Versuch: Der Boden ist mit wiederverwendbarer Folie bedeckt, die dafür sorgt, dass der Boden nicht austrocknet. Darunter liegt frisch gehäckselter Grünschnitt, der wiederum von Mikroorganismen zersetzt wird. Nebst der Bodenabdeckfolie trägt auch organisches Mulchmaterial dazu bei, die Bodenfeuchtigkeit gut zu speichern.

«Die entgegengebrachte Wertschätzung motiviert uns täglich auf’s Neue, frisches, knackiges und regionales Bio zu produzieren.»

Claude Brechbühl, Gründer Tomaterei

Der Abendmarkt Thun findet jeweils am Donnerstag (ausgenommen Thunfest, 18. August 2023) und in diesem Jahr letztmals am 27. Oktober 2023 von 16.00 bis 19.00 Uhr in der Innenstadt Thun beim Waisenhaus, Seite Mühlegässli, statt. Wir haben bereits über den Abendmarkt berichtet: Hier geht’s lang.

Direktvermarktung pur: Ab an den Bio-Abendmarkt Thun

Das Gemüse für den Abendmarkt wird am Vortag geerntet, gewaschen und schön säuberlich in Kisten verpackt. Am Markt angekommen präsentiert sich Besucherinnen und Besuchern nicht nur ein buntes Bouquet an frischem, knackigem und nicht alltäglichem Gemüse – oder hast du schon mal vom Salat «Reine de Glaces» gehört? – sondern es liegt auch immer mal wieder ein einfaches und zum Kochen inspirierendes Rezept zum Mitnehmen auf. «Die Leute wissen oft nicht, was man mit gewissen Gemüsen kochen kann und sind dankbar für Rezeptideen, die unkompliziert und mit wenig Zutaten umsetzbar sind», so Ronja. Ein kurzer Schwatz mit den beiden und ein Menütipp reicher – oft angelehnt an Ideen von Spitzenkoch Yotam Ottolenghi aus London – quasi von regional zu international!

Man merkt sofort: Ronja und Claude schätzen an ihrer neu gewonnen Selbständigkeit insbesondere den direkten Kontakt mit Gemüse-Abonnentinnen und Abendmarkt-Kunden wie auch die Freiheit zur Gestaltung ihrer Tätigkeit. So betont Claude: «Die entgegengebrachte Wertschätzung motiviert uns täglich auf’s Neue, frisches, knackiges und regionales Bio zu produzieren», und Ronja schmunzelt «Wir lernen Jahr für Jahr dazu und haben noch einiges vor – und vor uns.»

Claude ist gelernter Landschaftsbauzeichner und Produktdesigner, Ronja ehemals Buchhändlerin und Primarlehrerin. Quereinstieg pur! Sie verfügen über viele gemeinsame Hobby-Gartenerfahrungen. Die Gartenliebe ist also bei beiden eine über Jahren gewachsene Herzenssache. Beide haben bei der Marktgärtnerei Legummes Praxiserfahrung gesammelt. Claude hat zudem im Zivildienst in einer Gemüsegärtnerei gearbeitet. Ronja hat die Landwirtschaft quasi im Blut: Ihre Eltern betreiben in Homberg einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb. Die Marktgärtnerei ist inzwischen ein neuer Betriebszweig davon.

Kommentar